Neues zur Ermittlung des Unternehmenswerts beim Squeeze-Out

Das OLG Düsseldorf sorgt mit seinem Beschluss vom 20.6.2022 – I-26 W 3/20 [AktE] für Aufsehen. Das Gericht hält die an einzelne Aktionäre aufgrund eines Vergleichs gezahlten Erhöhungsbeträge für die Unternehmensbewertung nicht für relevant. Im Übrigen verwirft das OLG die vom landgerichtlich bestellten Gutachter ermittelte Abfindung vollständig und bestätigt die Angemessenheit der von der Hauptaktionärin festgelegten Abfindung. Für eine verallgemeinernde Wirkung freiwilliger Zahlungen an einzelne Aktionäre gebe es keine gesetzliche Grundlage. Außerdem liege in der vergleichsweisen Zahlung an einzelne Aktionäre kein Anerkenntnis eines höheren Unternehmenswerts. Diese Niederlage auf der ganzen Linie für die Minderheitsaktionäre ist überraschend. Allerdings war die tatsächliche Entwicklung des Geschäfts allerdings schlechter als von der Hauptaktionärin prognostiziert, so dass sich die Annahmen des Gutachters als viel zu optimistisch herausstellten. Dass man hinterher immer schlauer ist, darf zwar juristisch nicht entscheidend sein, sollte man aber in der Praxis im Hinterkopf behalten. Meinen vollständigen BB-Kommentar finden Sie hier.

Privatrecht: Neue Auflage

Die 25. Auflage des Klassikers Kallwass/Abels, Privatrecht ist erschienen. Das Buch habe ich schon während meines Studiums benutzt. Es stellt wesentliche Elemente des Privatrechts nach dem Anspruchssystem dar, so dass Inhalte und Falllösung direkt verknüpft werden. Das entspricht meinem didaktischen Ansatz in der Lehre. Daher verwende ich das Buch schon länger als Grundlage des Moduls Repetitorium Wirtschaftsrecht an der FOM. Es ist eine große Ehre und Verantwortung, dieses Werk nunmehr als Autor neben Dr. Peter Abels mit zu gestalten.

Klare Satzungsregelungen zu Anforderungen an Umwandlungen empfehlenswert

Eine aktuelle Entscheidung des Brandenburgischen OLG (Beschluss v. 18.5.2022 – 7 AktG 1/22) beweist erneut den Wert klarer und vorausschauender Satzungsregelungen. So hätten die Parteien einen aufwändigen Rechtsstreit dadurch verhindern oder zumindest entschärfen können, dass sie die Voraussetzungen und Rechtsfolgen für Maßnahmen nach dem Umwandlungsgesetz in die Satzung aufgenommen hätten. Die Entscheidung des OLG zeigt davon unabhängig noch einmal, dass eine Anfechtungsklage selbst dann keinen Erfolg hat, wenn die vom Mehrheitsgesellschafter angebotene Abfindung klar den gesetzlichen Regeln widerspricht. Hier wurde nicht nur eine zu niedrige, sondern gar keine Barabfindung angeboten. Trotzdem bleibt es dabei: Wenn’s ums Geld geht: Spruchverfahren! Meinen vollständigen BB-Kommentar finden Sie hier.

Vorsicht bei Anwendung des unternehmenseigenen Beta-Faktors

Das ist der Titel meiner Anmerkung im BB 2021, 754 zur Entscheidung des OLG Düsseldorf im Spruchverfahren der ausgeschlossenen Aktionäre der Degussa AG (Beschluss vom 5.9.2019 – I-26 W 8/17 [AktE]).

Insgesamt lässt das OLG Düsseldorf die Prüfungs- und Rechtsberatungspraxis mit einer Vielzahl an teils geeigneten und teils ungeeigneten Kriterien zurück, nach denen entschieden werden soll, ob der unternehmenseigene Beta-Faktor verwendet werden kann. Dies macht die Bestimmung des Risikofaktors über den internen Beta-Faktor für außenstehende Aktionäre in Spruchverfahren noch einfacher angreifbar. So mag der unternehmenseigene, originäre Beta-Faktor zwar methodisch vorzugswürdig sein, ist für die Praxis aber regelmäßig zu unsicher.

Virtuelle Hauptversammlungen in Zeiten von COVID-19

Am 28.3.2020 ist das Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (BGBl. I, S. 569, 570, „COVID-19-GesR-G“) in Kraft getreten. Dadurch werden virtuelle Hauptversammlungen sowie weitere Erleichterungen zugelassen.
§ 1 Abs. 1 COVID-19-GesR-G erlaubt dem Vorstand zunächst, den Aktionären auch ohne Satzungsermächtigung eine Online-Teilnahme zu ermöglichen. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 COVID-19-GesR-G kann der Vorstand weitergehend entscheiden, dass die Versammlung komplett ohne physische Präsenz der Aktionäre, also vollständig virtuell abgehalten werden kann. Voraussetzungen sind insbesondere, dass die Bild- und Tonübertragung der gesamten Versammlung erfolgt (Nr. 1), die Stimmrechtsausübung über elektronische Kommunikation möglich ist (Nr. 2) und den Aktionären im Wege der elektronischen Kommunikation eine Fragemöglichkeit (Nr. 3) sowie die Möglichkeit zum Widerspruch (Nr. 4) eingeräumt werden. Der Vorstand entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen, welche Fragen er beantwortet und kann vorgeben, dass Fragen bis spätestens zwei Tage vor der Versammlung eingereicht werden (§ 1 Abs. 2 Satz 2 COVID-19-GesR-G). Außerdem kann der Vorstand die Frist zur Einberufung der Hauptversammlung auf 21 Tage verkürzen (statt 30 Tagen, § 123 Abs. 1 AktG); entsprechend verkürzen sich dann auch die Fristen für den Record Date, die Mitteilungsfristen sowie die Frist für Ergänzungsverlangen (§ 1 Abs. 3 COVID-19-GesR-G). Darüber hinaus kann die Hauptversammlung statt in den ersten acht Monaten des Geschäftsjahres (§ 175 Abs. 1 Satz 2 AktG) bis zu dessen Ende stattfinden (§ 1 Abs. 5 COVID-19-GesR-G). Alle diese Maßnahmen bedürfen der Zustimmung des Aufsichtsrats (§ 1 Abs. 6 COVID-19-GesR-G). Schließlich können sich Aktionäre bei der Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen nicht auf Verletzungen der Vorschriften über die Online-Teilnahme (§ 118 Abs. 1 Satz 3 bis 5, Abs. 2 Satz 2 oder Abs. 4), der Formvorschriften für Mitteilungen nach § 125 AktG sowie der Vorgaben des Abs. 2 des neuen Gesetzes stützen, es sei denn sie können der Gesellschaft Vorsatz nachweisen (§ 1 Abs. 7 COVID-19-GesR-G). All dies erhöht die Flexibilität der Verwaltung bei der Vorbereitung und Durchführung der Hauptversammlung erheblich. So wird verhindert, dass wichtige Beschlüsse (z.B. Dividenden, Kapitalmaßnahmen und Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern) aufgrund von Ausgangsbeschränkungen, Sicherheitsvorschriften oder Bedenken von Aktionären gegen Präsenzversammlungen nicht gefasst werden können. Die Vorschriften finden mit wenigen Modifizierungen entsprechende Anwendung auf KGaA und SE (§ 1 Abs. 8 COVID-19-GesR-G) sowie teilweise auf VVaG (§ 1 Abs. 9 COVID-19-GesR-G). Alle Erleichterungen gelten befristet zunächst nur für Hauptversammlungen im Jahr 2020 (§ 7 Abs. 1 COVID-19-GesR-G).
Bei GmbH können abweichend von § 48 Abs. 2 GmbHG im Jahr 2020 Gesellschafterbeschlüsse auch ohne Einverständnis sämtlicher Gesellschafter in Textform oder durch schriftliche Stimmabgabe gefasst werden (§§ 2, 7 Abs. 2 COVID-19-GesR-G).
Bemerkenswert ist noch, dass bei Umwandlungen im Jahr 2020 abweichend von § 17 Abs. 2 Satz 4 UmwG die Stichtagsbilanz zwölf statt normalerweise acht Monate alt sein darf (§§ 4, 7 Abs. 4 COVID-19-GesR-G).
Alle Erleichterungen können durch Rechtsverordnung bis zum 31.12.2021 verlängert werden (§ 8 COVID-19-GesR-G).

Das Gesetz ist Teil des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht v. 27.3.2020 (BGBl. I, S. 569).

LG München zu Empfehlungen der DVFA und des IDW

Das LG München I hat in seinem Beschluss v. 28.3.2019 – 5 HK O 3374/18, rkr. Anträge von Minderheitsaktionären auf Festsetzung einer höheren Barabfindung zurückgewiesen. Das Gericht hätte diese Anträge – angesichts des weit über dem von den Prüfungsgesellschaften ermittelten Werts liegenden Abfindungsbetrags – mit wesentlich knapperer Begründung zurückweisen können. Offenbar hatte das LG München I aber das Bedürfnis, einige Punkte für die Bewertungspraxis (nochmals) klarzustellen. Besonders hervorzuheben sind die Vorgaben, mit denen das Gericht von in der Fach-Community anerkannten Standards abweicht. Erstens spielen die Best-Practice-Empfehlungen der DVFA bei der Ermittlung des Unternehmenswerts keine Rolle. Zweitens darf der Risikozuschlag nicht allein auf Grundlage des (Tax-)CAPM ermittelt werden und drittens ist die vom FAUB des IDW vorgeschlagene Marktrisikoprämie von 5,5% nach Auffassung des Gerichts zu hoch, angemessen sind 5,0%. Eine gute Nachricht für Unternehmen und Prüfungsgesellschaften hat das LG München I auch: Die Minderheitsaktionäre können grundsätzlich weder die Planungsunterlagen noch die Vorlage der Arbeitspapiere verlangen. Meinen kompletten BB-Kommentar finden Sie hier: BB 2020, 690.

Ermessensklauseln bei Vorstandsboni sind nicht empfehlenswert

So lautet mein Kommentar zum Urteil des BGH v. 24.9.2019 – II ZR 192/18. Die Entscheidung des BGH schafft auf den ersten Blick Rechtssicherheit. Die zentrale Aussage lautet: Klauseln in Vorstandsdienstverträgen, in denen das „ob“ und „wie“ eines Bonus für Vorstände in das Ermessen des Aufsichtsrats gestellt werden, sind weiter zulässig und wirksam. In der Praxis ist jedoch Vorsicht mit solchen Klauseln geboten. Die Details können Sie im BB 2020, 148 nachlesen.